Gewährleistung
Bei entgeltlichen Verträgen – also Verträgen, wo jede Partei sich zu einer Leistung verpflichtet – trifft diejenige Person, die eine Sache übergeben oder eine Dienstleistung erbringen muss, eine Haftung für die Mängelfreiheit der erbrachten Leistung. Diese Haftung nennt sich Gewährleistung. Der/die Übergeber:in haftet verschuldensunabhängig dafür, dass die erbrachte Dienstleistung oder übergebene Ware keine Mängel hat.
Info: Im Gewährleistungsrecht nennt man jene Vertragspartei, die die Ware/Dienstleistung erhält, Übernehmer:in. Jene Vertragspartei, die die Sache liefert oder die Dienstleistung erbringt, ist der/die Übergeber:in.
Achtung: Bei der Beurteilung, ob ein Mangel vorliegt, kommt es immer darauf an, was du und dein:e Vertragspartner:in konkret vereinbart haben.
Der/die Übergeber:in haftet nur für Mängel, die bereits bei der Übergabe vorhanden waren. Das gilt auch dann, wenn die Mängel bei Übergabe nicht sichtbar waren und erst zu einem späteren Zeitpunkt erkennbar geworden sind. In Österreich bestehen insgesamt drei Gewährleistungsregime, nämlich
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das Verbrauchergewährleistungsgesetz (VGG) für Verbraucherverträge über den Warenkauf oder über die Bereitstellung digitaler Leistungen; subsidiär kommen bei diesen Verträgen auch die Bestimmungen des ABGB und des Konsumentenschutzgesetz (KSchG) zur Anwendung;
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das ABGB und das KSchG für alle Verbraucherverträge, die nicht unter das VGG fallen;
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das ABGB für B2B und C2C-Verträgen
Vermutung der Mangelhaftigkeit
Im Anwendungsbereich des VGG wird ein Jahr ab Übergabe der Ware oder Abnahme der Dienstleistung vermutet, dass ein aufgetretener Mangel bereits bei Übergabe/Abnahme vorhanden war. In allen anderen Bereichen vermutet man in den ersten sechs Monaten ab Übergabe der Ware oder Abnahme der Dienstleistung , dass ein aufgetretener Mangel bereits bei der Übergabe/Abnahme vorhanden war.
Das bedeutet, dass der/die Übergeber:in beweisen muss, dass der Mangel erst nach der Übergabe entstanden ist. Gelingt dieser Beweis nicht, wird er/sie gewährleistungspflichtig.
Nach Ablauf der sechs Monaten bzw des einen Jahres muss hingegen der/die Übernehmer:in beweisen, dass der Mangel bereits bei Übergabe vorhanden war, auch wenn der Mangel erst später bemerkt wurde oder sich erst später gezeigt hat.
Sachmängel und Rechtsmängel
Man unterscheidet im Gewährleistungsrecht zwischen Sachmängeln und Rechtsmängeln.
Ein Sachmangel liegt vor, wenn die gelieferte Ware fehlerhaft, beschädigt oder unvollständig ist. Ein Sachmangel liegt auch vor, wenn die versprochene Leistung nicht der vertraglichen Vereinbarung entspricht oder die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften aufweist. Man spricht davon, dass die vereinbarte Leistung nicht die zugesicherten Eigenschaften aufweist.
Beispiel: Ein als makellos gekauftes Gemälde hat Risse oder Flecken.
Beispiel: Du bist Restaurateur:in und hast den Auftrag bekommen, ein Gemälde zu reinigen. Du übergibst das bearbeitete Gemälde, obwohl du es nicht vollständig gereinigt hast.
Beispiel: Einer gekauften, künstlerischen Multimediainstallation fehlen die notwendigen Kabel für ihre Installation.
Beispiel: Eine als Original eines berühmten Künstlers, einer berühmten Künstlerin gekaufte Skulptur ist in Wahrheit eine Fälschung.
Die fehlende künstlerische Qualität stellt keinen Mangel dar, der Gewährleistungsansprüche begründet. Denn künstlerische Qualität kann nur auf sehr subjektive Weise beurteilt werden und stellt in den seltensten Fällen einen objektiven Mangel dar. In der Regel sind Gewährleistungsansprüche wegen mangelnder künstlerischer Qualität in Verträgen explizit ausgeschlossen.
Ein Rechtsmangel liegt vor, wenn die Ware oder Leistung nicht frei von rechtlichen Mängeln ist. Das bedeutet, dass die Rechtsstellung des/der Übernehmer:in an der gekauften Sache oder der erhaltenen Dienstleistung beeinträchtigt ist. Das ist etwa dann der Fall, wenn
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der/die Schuldner:in nicht Eigentümer der geschuldeten Sache ist und der/die Glübiger:in daher nicht Eigentümer:in der geschuldeten Sache werden kann oder
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andere Personen gegen den/die Übernehmer:in Ansprüche geltend machen könnten, die das Eigentum oder den Besitz der Ware beeinträchtigen oder die Nutzbarkeit der Leistung einschränken.
Im Kunst- und Kulturbereich kann es typischerweise dann zu einem Rechtsmangel kommen, wenn eine künstlerische Leistung gegen Urheberrechte eines/einer anderen Künstler:in verstößt.
Beispiel: Du bist Autor:in eines Theaterstücks und vereinbarst, dass ein Theater das Stück aufführt. Du verschweigst dem Theater, dass ein großer Teil des Werkstücks in Wahrheit eine Kopie eines Stücks einer anderen Person ist und du keine Zustimmung zur Verwendung und Aufführung des fremden Materials eingeholt hast. Diese Person könnte rechtlich gegen das Theater vorgehen.
Beispiel: Du nimmst einen Kredit bei einer Bank auf und räumst der Bank zur Sicherung der Kreditforderung ein Pfandrecht an einem deiner Kunstwerke ein. Später verkaufst du dasselbe Kunstwerk an eine:n Sammler:in und verschweigst, dass es mit einem Pfandrecht belastet ist. Der/die Sammler:in glaubt, lastenfreies Eigentum an dem Kunstwerk erworben zu haben.
Beispiel: Du verkaufst jemandem ein Kunstwerk mit der Zusicherung, dass es ins Ausland exportiert werden könne. In Wahrheit handelt es sich bei dem Kunstwerk um österreichisches Kulturgut von besonderer Bedeutung, für das keine Exportgenehmigung erteilt werden wird.
Beispiel: Ein Museum erwirbt Raubkunst.
Die einzelnen Rechtsbehelfe der Gewährleistung
Ist eine Leistung oder eine Ware mangelhaft, hat der/die Übernehmer:in das Recht, eine angemessene Abhilfe zu verlangen (Gewährleistungsbehelfe). Die Gewährleistungsbehelfe sollen dazu führen, dass der/die Übernehmer:in
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letztlich eine mangelfreie Sache bekommt oder
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eine finanzielle Kompensation dafür erhält, dass er/sie eine mangelhafte Sache bekommen hat oder
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den Vertrag auflösen kann und jede Vertragspartei bereits Geleistetes zurückgibt.
Die Gewährleistung ist im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB), Verbrauchergewährleistungsgesetz (VGG) und im Konsumentenschutzgesetz (KSchG) geregelt. Ist eine gekaufte Sache oder erbrachte Dienstleistung mangelhaft, stehen dem/der Übernehmer:in zunächst die zwei primären Gewährleistungsbehelfe zur Verfügung: Verbesserung oder Austausch. Erst wenn dem/der Übergeber:in nach einer angemessenen Nachfrist die Beseitigung der Mängel nicht gelungen ist, diese unmöglich oder unzumutbar ist stehen dem/der Übernehmer:in die sekundären Behelfe zu: Preisminderung oder Wandlung (Rückabwicklung des Vertrages).
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Verbesserung: Der/die Übernehmer:in kann verlangen, dass der Mangel an der Ware oder Dienstleistung behoben wird. Die Ware muss repariert oder die Leistung nachgebessert werden. Wenn die Verbesserung erfolgreich ist, gilt der Mangel als behoben und der Vertrag wird fortgesetzt.
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Austausch: Der/die Übernehmer:in kann verlangen, dass die mangelhafte Ware durch eine neue, einwandfreie Ware ausgetauscht wird. Die neue Ware muss denselben oder einen vergleichbaren Wert haben wie die ursprüngliche Ware. Auch hier wird der Vertrag fortgesetzt.
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Preisminderung: Der/die Übernehmer:in kann eine angemessene Minderung des Kaufpreises/Honorars verlangen, wenn der Mangel nicht behoben wurde oder die Ware nicht ausgetauscht werden kann. Die Preisminderung richtet sich dabei nach dem Ausmaß des Mangels.
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Wandlung/Auflösung des Vertrages: Wenn Verbesserung, Austausch oder Preisminderung nicht möglich oder nicht zumutbar sind (zB weil die Mängel wiedergekehrt sind oder das Verhältnis der Vertragsparteien zerrüttet ist), kann der/die Übernehmer:in den Kaufvertrag auflösen und die Ware zurückgeben. Der/die Übergeber:in ist in diesem Fall verpflichtet, den Kaufpreis zurückzuerstatten.
Verjährung
Diese Behelfe stehen dem/der Übernehmer:in nur für einen bestimmten Zeitraum zur Verfügung. Nach Ablauf dieser Zeit können keine Gewährleistungsansprüche mehr geltend gemacht werden:
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Beim Kauf von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen beträgt die Frist zwei Jahre ab Übergabe der Ware oder Abnahme der Leistung.
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Beim Kauf von unbeweglichen Sachen (Grundstücken) beträgt die Frist drei Jahre ab Einräumung des Eigentumsrechts an dem Grundstück.
Besonderheiten bestehen im Falle eines Rechtsmangels. Die Frist für die Geltendmachung beginnt erst mit Kenntnis des Mangels.
Gewährleistung zwischen Unternehmer:innen
Wenn Unternehmer:innen einen Vertrag abschließen, können sie die Gewährleistung vertraglich ausschließen oder anders regeln. Beispielsweise können sie vereinbaren, dass nur bestimmte Gewährleistungsbehelfe zur Anwendung kommen oder diese für einen kürzeren Zeitraum als zwei Jahre zur Verfügung stehen.
Achtung: Wenn es sich um einen Vertrag zwischen einem/einer Unternehmer:in (zB freischaffende:r Künstler:in) und einem/einer Verbraucher:in handelt, kann die Gewährleistung nicht ausgeschlossen oder zum Nachteil des/der Verbraucher:in abgeändert werden.
Info: Künstler:innen gelten oft als Unternehmer:innen, insbesondere wenn sie ihre Tätigkeit hauptberuflich ausüben.
Bei Verträgen zwischen Unternehmer:innen gilt außerdem eine besondere Regelung hinsichtlich der Überprüfung der Ware auf ihre Mängelfreiheit. Ein:e Unternehmer:in, die eine Ware erhält oder Dienstleistung abnimmt, muss diese bei der Übernahme genau überprüfen. Wenn der/dem Unternehmer:in Mängel auffallen, müssen diese binnen einer angemessenen Frist (im Zweifel 14 Tagen) der anderen Vertragspartei bekanntgegeben werden („Mängelrüge“). Ansonsten verfällt der Gewährleistungsanspruch und der/die Übernehmer:in kann keine Gewährleistungsbehelfe geltend machen.