Vertragsrecht von EU/EWR-Ländern
Anders als viele andere Rechtsgebiete ist das Vertragsrecht innerhalb der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums nicht vereinheitlicht. Das bedeutet, dass jeder Mitgliedsstaat eigene gesetzliche Regelungen hat, zB zu den folgenden Fragen:
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Wie kommt ein Vertrag zustande? Gibt es Formvorschriften?
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Welchen Mindestinhalt muss ein bestimmter Vertrag aufweisen?
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Was passiert, wenn eine der Vertragsparteien den Vertrag nicht erfüllen kann?
Eine der wichtigsten Fragen im Vertragsrecht ist jene des anwendbaren Rechts. Zu dieser Frage hat die Europäische Union die Rom I Verordnung erlassen, die in allen Mitgliedstaaten der/des Europäischen Union/Europäischen Wirtschaftsraumes gilt. Grundsätzlich können sich Vertragsparteien selbst aussuchen, welches Recht auf ihren Vertrag anwendbar ist. Wenn sie keine Wahl getroffen haben, richtet sich das auf einen Vertrag anwendbare Recht in den Mitgliedstaaten der/des Europäischen Union/Europäischen Wirtschaftsraumes nach dieser Verordnung.
Info: Innerhalb der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraumes gibt es zwar kein einheitliches Vertragsrecht, jedoch gibt es im Bereich des Verbraucherschutzes einheitliche Regelungen. Wenn Unternehmer:innen – wie etwa selbstständig erwerbstätige Künstler:innen – mit Verbraucher:innen Verträge abschließen, gelten zugunsten der Verbraucher:innen bestimmte zwingende Schutzregeln (zB Wenn Verbraucher:innen innerhalb der EU oder des EWR eine Sache im Internet kaufen, können sie innerhalb eines bestimmten Zeitraumes ohne Angabe von Gründen von dem Vertrag zurücktreten).
Im Folgenden erhälts du einen Überblick, welche Konsequenzen eure Rechtswahl hat oder wie das anzuwendende Recht mangels einer Rechtswahl festgestellt wird.
Wir haben eine Rechtswahl getroffen
Wie du bereits im Kapitel zu grenzüberschreitenden Verträgen erfahren hast, können du und deine Vertragspartner:in vereinbaren, ob eine bestimmte Rechtsordnung auf euren Vertrag anwendbar sein soll. Ihr seid in der Wahl des Rechts frei.
Obwohl ihr die Anwendung einer bestimmten Rechtsordnung vereinbart habt, sind trotzdem grundlegende Schutzvorschriften einer anderen Rechtsordnung auf euren Vertrag anwendbar. Es handelt sich dabei um rechtliche Grundprinzipien, die zum Schutz der Allgemeinheit und öffentlichen Sicherheit immer anwendbar sein sollen („odre public“, zB Menschenrechte).
Beispiel: Du und deine Vertragspartner:in vereinbart die Herstellung eines künstlerischen Wandteppichs in Österreich. Ihr vereinbart, dass das Recht des Staates Bangladesch anwendbar ist, weil nach dieser Rechtsordnung unter bestimmten Voraussetzungen Kinderarbeit in der Textilindustrie legal ist. Da Kinderarbeit in Österreich illegal ist und gegen den odre public verstößt, dürft ihr den Wandteppich nicht von Kindern herstellen lassen, obwohl dies nach dem gewählten Recht theoretisch zulässig wäre.
To do: Vor jeder Rechtswahl solltest du dir Grundkenntnisse über das anzuwendende Vertragsrecht aneignen und dich rechtlich beraten lassen.
Wir haben keine Rechtswahl getroffen
Wenn du und dein:e Vertragspartner:in keine Rechtswahl getroffen habt, stellt sich die Frage, welche Rechtsordnung auf euren Vertrag anzuwenden ist. Dazu hat die Europäische Union die Rom I Verordnung erlassen. Das anzuwendende Recht hängt dabei von der konkreten Vertragsart ab.
Beispiel: Bei einem Kaufvertrag über eine bewegliche Sache (zB ein Kunstwerk) ist die Rechtsordnung jenes Staates anzuwenden, in dem der/die Verkäufer:in ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Beispiel: Bei Dienstleistungsverträgen (zB die Restaurierung eines Kunstwerkes) kommt das Recht jenes Staates zur Anwendung, in dem der/die Restaurateur:in seinen/ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Bei Verträgen, die in der Rom I Verordnung nicht explizit genannt werden, kommt das Recht jener Rechtsordnung zur Anwendung, in dem die Person, die die für den Vertrag charakteristische Leistung erbringt, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Beispiel: Kooperationsverträge über künstlerische Zusammenarbeit sind in der Rom I Verordnung nicht explizit genannt. Welche Rechtsordnung zur Anwendung kommt, wird danach beurteilt werden, welche Vertragspartner:in den markantesten Teil der Zusammenarbeit liefert und wo diese:r seinen/ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.