Wenn die Erfüllung des Vertrages nach Vertragsabschluss aber vor der Leistungsübergabe unmöglich wird, spricht man von nachträglicher Unmöglichkeit. 

Beispiel: Du wirst beauftragt, ein Gemälde zu restaurieren. Das Gemälde wird nach Vertragsabschluss bei einem durch eine Gasexplosion verursachten Brand in deinem Atelier zerstört.

Beispiel: Du wirst beauftragt, ein Gemälde zu restaurieren. Du verwendest unabsichtlich eine falsche Chemikalie und zerstörst das Gemälde. 

Beispiel: Du wirst beauftragt, ein Gemälde zu restaurieren. Bei einer Besichtigung deiner Arbeitsfortschritte stolpert dein:e Auftraggeber:in gegen die Staffelei, das Gemälde fällt hinunter und zerreißt. Der Schaden ist irreparabel. 

Wenn sich nach Vertragsabschluss herausstellt, dass die Vertragserfüllung nicht möglich ist, kann das unterschiedliche Folgen haben. Welche Folgen eintreten, hängt davon ab, ob eine der Vertragsparteien an der Unmöglichkeit der Vertragserfüllung Schuld ist oder es durch höhere Gewalt zufällig zur Unmöglichkeit gekommen ist.

Zufällige nachträgliche Unmöglichkeit: Höhere Gewalt

Wenn die Vertragserfüllung wegen eines Umstandes unmöglich geworden ist, für den keine der Vertragsparteien verantwortlich ist („höhere Gewalt“) und dessen Eintritt trotz gehöriger Sorgfalt nicht verhindert werden konnte, kommt es automatisch zur Auflösung des Vertrags. Keine der Vertragsparteien muss ihre Leistung erbringen.

Beispiel: Du bist Musiker:in und lebst in Spanien. Du schließt einen Vertrag mit dem Wiener Konzerthaus für einen Auftritt in Wien. Dein Flug fällt wegen eines heftigen Gewitters aus und du versäumst deinen Auftritt. Der Vertrag löst sich automatisch auf. Da du die nachträgliche Unmöglichkeit nicht verschuldet hast, wirst du nicht schadenersatzpflichtig, aber du bekommst auch kein Entgelt.

Höhere Gewalt bezeichnet außergewöhnliche Ereignisse oder Umstände, die außerhalb des Einflussbereichs der Vertragsparteien liegen. Damit ein Ereignis oder ein bestimmter Umstand als höhere Gewalt gilt, müssen es unvorhersehbar, unvermeidbar und von keiner der Vertragsparteien verschuldet sein. In vielen Verträgen wird eine genaue Definition von höherer Gewalt ausgeführt, um mögliche Missverständnisse zu vermeiden. In der folgenden Liste findest du einige typische Beispiele für höhere Gewalt:

  • Naturkatastrophen (zB Stürme, Überschwemmungen, Erdbeben)

  • Krieg, Terrorismus, bürgerkriegsähnliche Zustände

  • Streiks, Aussperrungen und andere Arbeitskämpfe

  • Pandemien oder Epidemien

  • Rechtliche Verbote (zB behördliche Schließungen, Ausgangssperren oder Versammlungsverbote)

  • Technische Störungen (zB Blackouts, Serverausfälle oder Ausfälle von Verkehrsmitteln)

  • Verkehrsstörungen (zB Zugausfälle oder Flugannullierungen aufgrund von Wetterbedingungen)

Achtung: Die Regeln zur nachträglichen Unmöglichkeit gelten nur, wenn es sich um ein unvorhersehbares Ereignis handelt. Komplizierter wird es, wenn der Vertrag bereits bei Kenntnis gefährdender Ereignisse (zB einer sich ausbreitenden Pandemie) geschlossen worden ist. Es wird jeweils im Einzelfall zu beurteilen sein, ob die Unmöglichkeit vorhersehbar war oder nicht.

Die Rechtsfolgen von nachträglicher Unmöglichkeit hängen von den vertraglichen Vereinbarungen und den Umständen des Einzelfalls ab:

  • Keine vertraglichen Regelungen zur nachträglichen Unmöglichkeit: Wenn du und dein:e Vertragspartner:in keine anderen Regelungen vereinbart habt, und höhere Gewalt zu der nachträglichen Unmöglichkeit der Vertragserfüllung geführt hat, ist jede Vertragspartei von ihrer Leistungspflicht befreit. Der Vertrag löst sich auf, er „zerfällt”. Niemand wird schadenersatzpflichtig oder muss eine Vertragsstrafe wegen der unterlassenen Vertragserfüllung leisten. Bereits Geleistetes ist bereicherungsrechtlich zurückzugeben. Alternativ kann dein:e Vertragspartner:in die eigene Leistung erbringen und die Herausgabe des Vorteils (sog „stellvertretendes commodum“) fordern, zB in Form einer Versicherungsleistung. 

  • Vertragliche Vorsorge: Du und dein:e Vertragspartner:in könnt vorab vereinbaren, wie ihr mit nachträglicher Unmöglichkeit umgehen möchtet. Zum Beispiel könnt ihr Abschlagszahlungen vorsehen, wenn eine Partei wegen nachträglicher Unmöglichkeit den Vertrag nicht erfüllen kann. Die Höhe der zu leistenden Abschlagszahlung kann gestaffelt werden, je nachdem wann eine Vertragspartei bekannt gibt, den Vertrag nicht erfüllen zu können (zB 10% Abschlagszahlung bei einer Absage acht Wochen vor Leistungsdatum, 25% bei Absage vier Wochen vorher und 40% Abschlagszahlung für eine Absage danach).

  • Nachträgliche Anpassung des Vertrags: In manchen Fällen kann es Sinn machen einen neuen, an die Umstände höherer Gewalt angepassten Vertrag abzuschließen (zB durch eine Verlängerung der Leistungsfrist, durch die Änderung der vereinbarten Vergütung oder die Änderung des Lieferorts).

Mögliche Covid-19 Klauseln

Die Covid-19-Pandemie war ein Ereignis höherer Gewalt. Viele Verträge wurden daher wegen nachträglicher Unmöglichkeit aufgelöst. 

Beispiel: Eine geplante Ausstellung deiner Kunstwerke muss wegen behördlicher Sperren zur Eindämmung der Pandemie abgesagt werden.

Um zukünftig im Falle von Pandemien vertraglich vorbereitet zu sein, kann die Aufnahme folgender Vertragsklauseln sinnvoll sein:

  • „Sollte eine der Parteien aufgrund von Covid-19 oder ähnlichen Epidemien oder Pandemien verhindert sein, ihre vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen, so wird die Partei davon unverzüglich die andere Partei in Kenntnis setzen und sich umgehend bemühen, alternative Maßnahmen zu ergreifen, um die vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Sollte dies nicht möglich sein, ist die Partei von der Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen für die Dauer der Behinderung befreit.“

  • „Im Falle einer Absage einer Veranstaltung aufgrund behördlicher Maßnahmen betreffend Covid-19 oder ähnlichen Epidemien oder Pandemien ist der/die Veranstalter:in berechtigt, die Veranstaltung zu verschieben oder abzusagen. In diesem Fall sind die Mitwirkenden verpflichtet, eine Verschiebung zu akzeptieren und werden sich tunlichst bemühen, eine Ersatztermin zu vereinbaren. Der/die Veranstalter:in haftet nicht für Folgeschäden, die den Mitwirkenden oder Dritten durch die Verschiebung oder Absage entstehen.“

  • „Diese Vereinbarung wird unter dem Vorbehalt abgeschlossen, dass Covid-19 oder ähnliche Epidemien oder Pandemien die vertragliche Leistungserbringung wesentlich beeinträchtigen oder unmöglich machen können. Sollte dies eintreten, wird diese Vereinbarung von beiden Parteien für die Dauer der Behinderung suspendiert und die vertraglichen Verpflichtungen werden ausgesetzt. Sobald die Behinderung beseitigt ist, werden beide Parteien die Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen wiederaufnehmen.“

Achtung: Die jeweiligen Klauseln sollten im Einzelfall unbedingt mit einer/m Rechtsberater:in besprochen werden.  

Der/die Schuldner:in ist für die nachträgliche Unmöglichkeit verantwortlich

Wenn der/die Schuldner:in schuld daran ist, dass er/sie die Leistung nicht erbringen kann, kann sich der/die Gläubiger:in aussuchen, ob 

  • er/sie an dem Vertrag festhält, die eigene Leistung erbringt und den Wert der Gegenleistung fordert oder

  • er/sie vom Vertrag zurücktritt und die Differenz zwischen der eigenen nicht erbrachten Leistung und der nicht erbrachten Leistung des/der Schuldner:in fordert.

Wenn der/die Schuldner:in die nachträgliche Unmöglichkeit bewusst und gewollt herbeigeführt hat (vorsätzlich) oder durch sein/ihr sorgfaltswidriges Verhalten oder das sorgfaltswidrige Verhalten eines:r Gehilfen:in herbeigeführt hat (fahrlässig), kann er/sie der anderen Vertragspartei schadenersatzpflichtig werden.

Beispiel: Du bist Musiker:in und lebst in Spanien. Du schließt einen Vertrag mit dem Wiener Konzerthaus für einen Auftritt in Wien. Du verpasst deinen Flug und damit auch den Auftritt, weil du zu spät von zuhause weggefahren bist. Stattdessen muss der/die Veranstalter:in kurzfristig eine:n andere:n Künstler:in buchen und bezahlen. Du bekommst kein Entgelt und weil dir die Unmöglichkeit der Vertragserfüllung persönlich vorwerfbar ist, wirst du dem/der Veranstalter:in schadenersatzpflichtig und du musst die Differenz zwischen deiner Gage und der Gage des/der anderen Künstlers/Künstlerin bezahlen. 

Der/die Gläubiger:in ist für die nachträgliche Unmöglichkeit verantwortlich

Wenn der/die Gläubiger:in schuld daran ist, dass der/die Schuldner:in ihre Leistung nicht erbringen kann, bleibt der Vertrag aufrecht. Er/sie muss seine Gegenleistung trotzdem erbringen.

Wenn der/die Gläubiger:in die nachträgliche Unmöglichkeit bewusst und gewollt herbeigeführt hat (vorsätzlich) oder durch sein/ihr sorgfaltswidriges Verhalten herbeigeführt hat (fahrlässig), kann er/sie der anderen Vertragspartei schadenersatzpflichtig werden.

Beispiel: Du bist Schauspieler:in und hast einen Vertrag mit einem Theater abgeschlossen, um in einer Aufführung mitzuspielen. Du hast dich vertraglich verpflichtet, zu den Proben und zur Aufführung zu erscheinen. Das Theater hat jedoch vergessen, dich über eine wichtige Änderung im Spielplan zu informieren. Du kommst zur ursprünglich vereinbarten Zeit zum Theater. Das Theater teilt dir mit, dass die Aufführung aufgrund der Änderung des Spielplans an einem anderen Tag stattfindet. Du hast dich an diesem Tag bereits verpflichtet, in einer anderen Produktion mitzuspielen und kannst daher nicht an der Aufführung teilnehmen. Das Theater ist verpflichtet, dir trotzdem das Entgelt für den Termin, den du nicht wahrnehmen kannst, zu zahlen. Du musst dir allerdings anrechnen lassen, was du dir durch die Nichterbringung der Leistung erspart hast.